"Eine Insel des Friedens mitten im Krieg"

ein Beitrag von Jürgen Hansen und Simone Stripp für „3sat kulturzeit“ (14.3. 2008)

Elisabeth Eidenbenz rettete in ihrer Geburtenklinik Mütter und Kinder vor der NS











Elisabeth Eidenbenz erinnert sich


Elisabeth Eidenbenz, Lehrerin und Krankenschwester aus der Schweiz, leitete von 1939 bis 1944 die Kinderklinik im südfranzösischen Elne bei Perpignan. In dieser Zeit kamen dort fast 600 Kinder zur Welt, deren Mütter im Januar 1939 vor den Bombenangriffen der Franco-Truppen nach Frankreich geflohen waren. Eidenbenz nahm sich der Schwangeren an. Später rettete sie auch jüdische Familien vor der Deportation.


Die 98-jährige Celia Garcia ist zusammen mit ihrer Tochter in die Geburtenklinik zurückgekehrt, wo sie 1941, inmitten von Krieg und Elend, ihr Kind auf die Welt gebracht hat. "Es ist immer noch sehr bewegend, hierher zu kommen", sagt sie. "Schließlich habe ich hier vier Jahre verbracht. Ein Glück, dass wir hier bleiben konnten. Sonst weiß ich nicht, wie wir überlebt hätten." Dank Elisabeth Eidenbenz habe ihre Mutter diese schwierigen Jahre durchstehen können, sagt Celia Carré-Garcia. "Dass ich überhaupt am Leben bin, habe ich der Maternité zu verdanken."







Die einstige Geburtenklinik


Ein halbe Million Flüchtlinge


Elisabeth Eidenbenz, die Retterin, lebt heute in der Nähe von Wien und ist mittlerweile 94 Jahre alt. Mehr als 600 Kinder kamen in ihrer Klinik zur Welt und entgingen so dem sicheren Tod. Am Strand von Argelès erinnert ein Gedenkstein an die Flüchtlingstragödie vom Januar 1939. Eine halbe Millionen Spanier flohen vor dem Bürgerkrieg. Zehntausende drängten sich hier kurz hinter der französischen Grenze. "Es ist nicht zu verstehen, dass die Franzosen überhaupt nicht vorbereitet waren", sagt Elisabeth Eidenbenz. "Anfangs hatten wir im Lager nichts, um uns vor der Kälte zu schützen" erinnert sich Celia Garcia. "Später haben wir uns mit Decken und Stöcken eine Art Zelt gebaut. Aber wir mussten trotzdem auf dem kalten und feuchten Boden schlafen."


Elisabeth Eidenbenz ging in die Internierungslager und holte die schwangeren Frauen zu sich. In der "Maternité Suisse" konnten die Frauen ihre Kinder gesund zur Welt bringen. Danach mussten fast alle in die Lager zurück. Im Juni 1940 marschierten die Deutschen ein. Das Vichy-Regime wandelte im unbesetzten Süden die Lager in Konzentrationslager um. In Rivesaltes wurden neben den spanischen Republikanern französische Juden interniert - und später nach Auschwitz deportiert. In den Konzentrationslagern lag die Kindersterblichkeit bei 95 Prozent.







Celia Garcia mit ihrer Tochter


Fast die Hälfte waren Juden


Das größte KZ Frankreichs entstand in Gurs. Bewacht wurde es von Franzosen. 60 Jahre lang hätte man am liebsten alle Spuren verschwinden lassen. Erst in den letzten Jahren setzt sich Frankreich mit dieser dunklen Vergangenheit auseinander. Eine Barracke wurde wieder aufgebaut. Es ist ein Mahnmal für die 61.000 Menschen, die hier interniert waren: Franco-Gegner, Zigeuner und Juden. Im Oktober 1940 wurden auch 6500 deutsche Juden nach Gurs deportiert. Es waren die einzigen Deportationen in Richtung Westen. Eine Irrfahrt, die für die meisten 1943 in Auschwitz endete.


"Ein großer Teil ist deportiert worden", so Elisabeth Eidenbenz. "Einige Tausend". Man habe nicht viel machen können. Denn am Ende musste es eine bestimmte Zahl sein. Unerschrocken verteidigte sie die Frauen und Kinder ihrer "Maternité Suisse" - auch jüdische Frauen. "Für die ganze Region war es gut und schön, dass es in dem ganzen Kriegsgewirr eine Insel des Friedens gab", sagt Eidenbenz. Die Leute haben gesagt: 'Solange die Maternité da ist, passiert uns nichts.'"


Erst jetzt wird das Lebenswerk von Elisabeth Eidenbenz gewürdigt. In Frankreich und Spanien sind mehrere Bücher über sie erschienen. Celia Garcia und ihre Tochter brauchen keine Bücher - sie haben jeden Tag ihres Lebens an Elisabeth Eidenbenz gedacht.





                              

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