"Das Tagebuch von Dang Thuy Tram"

ein Beitrag von Jürgen Hansen und Simone Stripp für „3sat kulturzeit“ (14.3. 2008)

Das Vietnam-Tagebuch der Ärztin Dang Thuy Tram war 35 Jahre lang in den USA














Altar für Dang Thuy Tram in einer restaurierten Lazarett-Baracke im Dschungel von Vietnam


Zwischen 1967 und 1970 bombardierten die US-Amerikaner Zentral-Vietnam, flogen Luftangriffe mit Napalm und Phosphor. Am Boden ist eine junge Ärztin gemeinsam mit Vietkong-Soldaten auf der Flucht vor der militärischen Übermacht - eine Mission unter Lebensgefahr. Unter primitivsten Bedingungen behandelt Dang Thuy Tram verwundete Soldaten genauso wie Zivilisten. Häufig operiert sie ohne Betäubungsmittel in einfachen Bambushütten. Ihre Erinnerungen hat sie nun in ihrem Buch "Letzte Nacht träumte ich vom Frieden" festgehalten.




"29. Juli 1969. Der Krieg ist unermesslich grausam. Heute morgen bringen sie mir einen verwundeten Soldaten. Eine Phosphorbombe hat seinen ganzen Körper verbrannt. Eine Stunde, nachdem er getroffen wurde, brennt er immer noch."

("Letzte Nacht träumte ich vom Frieden")





Die junge Frau führt Tagebuch über die Schrecken des Krieges, aber auch ihre Hoffnungen, Ängste - und eine unerfüllte Liebe.


"Eine Nacht und einen Tag lang war ich in Sorge wegen Sangs Operation [...] Schmerz und Erschöpfung hatten tiefe Furchen in sein Gesicht gegraben, doch als er mich erblickte, blühte ein zaghaftes Lächeln auf seinen schmalen Lippen auf.“

("Letzte Nacht träumte ich vom Frieden")













Huynh Doan Sang mit der Krankenschwester Ta Thi Ninh


Verehrt wie eine Heilige


Huynh Doan Sang kämpfte für die Vietkong in der Provinz Quang Ngai. Gemeinsam mit einem weiteren Veteranen kehrt Sang zurück an den Ort, an dem er im April 1968 schwer verwundet wurde. Die US-Amerikaner griffen aus Hubschraubern mit Raketen an. Von den 17 Männern in Sangs Einheit überlebten zwei den Angriff. "Als ich verletzt wurde, brachte man mich in das Lazarett", erinnert sich der ehemalige Patient Huynh Doan Sang. "Doktor Dang Thuy Tram war sofort da und kümmerte sich um mich. Sie war so warmherzig und opferte sich für die Verwundeten auf. Sie kam jede Stunde und fragte, ob sich mein Zustand verschlechtert hätte."


In den Nachbarort Duc Pho kam Dang Thuy Tram oft aus den Bergen, um auch Zivilisten zu versorgen. Das neue Krankenhaus wurde nach ihr benannt. Die Menschen verehren sie wie eine Heilige. Eine von ihr ausgebildete Krankenschwester führt uns durch eine Ausstellung, die der jungen Ärztin gewidmet ist. In ihrem Garten befindet sich auch heute noch der Bunker, in dem sie sich alle gemeinsam vor den US-Amerikanern versteckt hatte. Sang, der ehemalige Patient, zwängt sich hinein. Der Eingang war früher halb so breit. Der Innenraum ist noch nicht einmal einen Meter hoch und vier Meter lang. "Bei schweren Angriffen versteckten wir uns immer hier im Tunnel", sagt Krankenschwester Ta Thi Ninh. "Auch, wenn die US-Amerikaner direkt über uns liefen, fanden sie uns nie. Dort vorne hatte Dang Thuy Tram Heilkräuter angepflanzt. Sie lebte zu der Zeit manchmal bei mir und floh auch in diesen Bunker."




Grausame Massaker an Zivilisten


"Search and Destroy" - so hießen die Missionen der US-Amerikaner. Die ganze Provinz war zum Feindgebiet erklärt worden, zur Free-Fire-Zone. Die Bevölkerung wurde in Internierungscamps gesammelt. Wer sich dem widersetzte, galt automatisch als Vietkong und durfte erschossen werden - egal, ob Frauen, Kinder oder Alte. In ihrem Tagebuch schildert Dang Thuy Tram eindringlich die grausamen Massaker an der Zivilbevölkerung. In den schwer zugänglichen Bergen der Provinz Quang Ngai versteckten sich die Vietkong-Soldaten. Hier verlief der legendäre Ho Chi Minh-Pfad. Und hier wurden auch die provisorischen Kliniken errichtet, in denen Dang Thuy Tram arbeitete. Bis heute wird in einer 1970 gebauten, heute rekonstruierten Wohnbaracke der jungen Ärztin gedacht.








Ein GI ließ das Tagebuch nach 35 Jahren übersetzen


Wie vielen Menschen in diesen Provisorien das Leben gerettet wurde, das kann die Krankenschwester Ta Thi Ninh nicht sagen. Aber sie glaubt, dass einheimische Spione für das Ende verantwortlich waren. "Am Boden gelangten die US-amerikanischen Soldaten so gut wie nicht in diese Gegend", erinnert sich Krankenschwester Ta Thi Ninh. "Aber mit ihren Hubschraubern. Sie hatten Wärmesensoren und konnten so Leute am Boden entdecken. Dann bombardierten sie uns. Es gab einige Verräter in der Bevölkerung, die verrieten, dass wir hier ein Krankenhaus hatten. So kamen die Amerikaner und zerstörten es." Dang Thuy Tram konnte in letzter Sekunde mit einigen Verwundeten fliehen. Die letzten Tagebucheinträge beschreiben Hunger und Verzweiflung. Am 22. Juni 1970 wird die unbewaffnete Ärztin von einer US-amerikanischen Patrouille entdeckt und erschossen.













Doan Thi Ngoc Tram, die Mutter


Im fernen Hanoi blieben der heute 81-jährigen Mutter und ihren Töchtern 35 Jahre lang nur Fotos und Briefe von Dang Thuy Tram. 1981 wurden ihre sterblichen Überreste in Hanoi beigesetzt. Was zu diesem Zeitpunkt niemand wusste: Das Tagebuch war in die Hände eines GIs geraten. Fred Whitehurst nahm es mit in seine Heimat und ließ es übersetzen. 35 Jahre lang behielt er das Tagebuch bei sich und ließ der Familie erst 2005 eine Kopie zukommen. "Als ich dann in die USA reiste und zum ersten Mal die handgeschriebenen Seiten meiner Tochter in der Hand hielt, war es ein Gefühl, als ob ich meine Tochter in den Armen halten würde", sagt Doan Thi Ngoc Tram, die Mutter von Dang Thuy Tram. "Als ob sie direkt vor mir stünde, neben meinen beiden anderen Töchtern."





                              

prospect tv production 

Erkelenzdamm 9   10999 Berlin  tel: +49 - 177 - 645 4960

13, rue de la ville  34700 Soubès  France  tel: +33 - 467 969846

prospect (at) prospecttv (dot) de