Den Grossteil der Dokumentation mit Stereo3D-Kompaktcamcordern umzusetzen, hiess zugleich auch deren Stärken, aber auch Einschränkungen genaustens zu kennen. Vorteile der Kompakttechnik liegen sicherlich im niedrigen Gewicht und der damit verbundenen Flexibilität im Einsatz. Einschränkungen ergeben sich in der Raumbildgestaltung durch die feste Stereobasis, also dem Abstand der beiden Optiksystemen zueinander, der bei Kompaktcamcorder baubedingt fest und unveränderbar ist. Daher stehen Stereo-Kompaktcamcorder auch nicht in direkter Konkurrenz zu grossen S3D-Rigs und ihren komplett frei definierbaren Stereo-Parametern. Sie sind aber eine logische Entwicklung hin zu einer neuen, eigenen Kategorie, mit mehr Flexibilität und der Möglichkeit zu schnelleren Setups. Unser Hauptarbeitspferd wurde die Panasonic HDC-Z10000, ergänzt von der grossen Broadcast-Variante AG-3DP1 und zweier synchronisierbarer HPX-250 auf dem erwähnten Side-by-Side-Rig. Bei der Z10000 liegen die beiden Optiken 42mm auseinander, die Konvergenz lässt sich variabel zwischen einer parallelen Blickwinkelausrichtung und einer Angulation der beiden Blickachsen von bis zu 5° einstellen. Das gesamte Optiksystem ist bei der Z10000 doppelt vorhanden: Jeweils zwei 3MOS Chipblöcke mit 1/4.1’’-Sensoren. Der Abgleich der beiden optischen Strahlengänge und die Synchronisation der Signalverarbeitung untereinander erfolgt automatisiert, so dass sich der Nutzer über den Grundabgleich der beiden Optiksysteme zueinander keine Gedanken machen muss. Umso mehr Überlegungen bleiben für eigentliche Raumbildgestaltung.
Da es generell das Ziel einer jeden S3D-Produktion sein muss, eine räumliche Abbildung zu schaffen, die für den späteren Betrachter ein angenehmes stereoskopisches Seherlebnis schafft, müssen sowohl die gegebenen Stereoparameter als auch das spätere Vorführmedium berücksichtigt werden. Denn was sich so simpel anhört, hat es in der Praxis in sich. Es ist nicht allzu schwierig, die natürlichen Grenzen des menschlichen Wahrnehmungssystems zu überschreiten und im Gegenzug ein anstrengendes, ja sogar physisch-schmerzhaftes Stereo zu erzeugen, denn "screensize really matters!": Nicht nur gestalterisch ist es ein Unterschied, ob man für ein Smartphone oder eine Kinoleinwand produziert, es ist auch stereoskopisch eine ganz andere gestalterische Ausgangslage (siehe auch Stereo3D-Special, Film- & TV Kameramann 01/2011). Daher legten wir vor dem Beginn unserer TV-Produktion fest, dass die Stereoparameter für die Fernsehauswertung auf einen 77" grossen TV gelten sollen.
An den Kompaktkameras selbst findet man nur eine rein 3D-spezifische Taste,- ein Drehrad für die Konvergenzeinstellung. Trotzdem sind Faktoren wie die feste Stereobasis, die gewählte Brennweite sowie die Tiefenstaffelung des Motivs im Raum Stereo-Parameter, die zentrale Faktoren darstellen. So hiess es bildgestalterisch oft, die Tiefe der Einstellung zu begrenzen oder als Ausgleich der festen Parameter mit dem Abstand zum Objekt zu variieren. Dies vor allem bei längerbrennweitigen Setups, mit grösserer Tiefenstaffelung im Bild und gleichzeitig unendlichem Hintergrund. Konkret hat es sich bewährt, Schärfe und Belichtung am 2D-Bild zu bestimmen, Stereo-Parallaxen am überlagerten Mix-Bild aus linker und rechter Bildquelle zu beurteilen und erst zum Schluss einen kurzen Blick auf die autostereoskopische Darstellung auf dem Display zu werfen. Dies auch eine Besonderheit der Z10000, die ein stereoskopisches Bild ohne 3D-Brille auf dem Display wiedergaben kann. Doch bleibt dabei zentral zu beachten, dass infolge der kleinen Displaygrösse des ausklappbaren Schirms keine zuverlässige Aussage möglich ist, ob die eingerichtete Einstellung auch mit einem grösseren Abbildungsmasstab stereoskopisch funktionieren wird! Hierfür eignen sich das Mixbild und der kameraeigene 3D-Guide besser. Denn für die 3D-Guide-Anzeige werden anhand der aktuellen Brennweiten und Konvergenzwahl sichere Nah- und Fernpunkte errechnet, die angenehme Raumbilder ohne ermüdende Parallaxen für das Zielformat garantieren. Als Faustregel leitete ich zudem eine Standardberechnung professioneller Stereografen ab, die jeweils für TV-Produktionen bemüht sind positive Parallaxen nicht über zwei Prozent der Bildbreite zu generieren. Dies auf das kleine 3,5“-Display des Camcorders übertragen hiess, dass dort abgebildete Parallaxen nicht weiter als eine "Streichholzbreite" auseinander liegen sollten. Eine einfache Daumenregel, die sich auch zwischen Weltraumtechnik und Astronautenanzügen oder gar Unterwasser beachten liess.